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Kritik am SAMR-Modell

Ich notiere hier mal schnell die wesentliche Kritik am SAMR-Modell, die die Autoren Akaoglu, Hamilton und Rosenberg 2016 in TechTrends vorgebracht haben. Ich selbst komme später auf diese Kritik zurück. Dank für den Hinweis zum Text an @jnwbr.

Bild 2:Bananenkanone: Welcher Kaffee darf es denn sein?

 

"Because the SAMR model has not been critically analyzed in the peer-reviewed literature, educators involved with educational technology integration sometimes understand an apply the SAMR model in fragmented ways which further complicates the ways in which the SAMR model may be understood an applied" (S. 10).

 

Die Autoren beschweren sich zu recht über die Verwendung eines kritikfreien Modells, dessen Bebilderung zur Popularisierung aber eben auch zur Konfusion darüber geführt hat, was das Modell eigentlich aussagt (bzw. aussagen will und wie es so auch normativ wirkt).

 

Es werden im Folgenden drei Probleme / "Herausforderungen" genannt:

 

1. Der Kontext: Vereinfachung der "Vorschrift", "So musst du es tun!"

Die Autoren führen dazu das Beispiel einer Lehrerin einer Mittelschule vor, die eine computergestützte Untersuchung für die Schülerinnen und Schüler plant, aber nur zwei Desktopcomputer zur Verfügung hat. Der Kontext ist also hochgradig relevant: 'In this intance, although the activity she creates may rank 'higher' on the SAMR ladder, in practice having ten students sit in front of one computer is both pratically an educatinally not feasible' (S.6). Man müsse grundsätzlich berücksichtigen, dass Lernen, die Pädagogik und die Unterrichtspraktiken der Lehrenden auf der einen Seite, sowie die Lernerfahrungen der Schülerinnen und Schüler immer durch konkrete Kontexte bestimmt werden; Technologieeinsatz ist darüber hinaus eingebettet in ein hochkomplexes System Schule. Die Folgerung lautet daher: 'Because SAMR does not acknowledge aspekts of context, attempts to connect the SAMR model to research and teaching practice may be a challange' (S.7). 

 

Bild 3: Nadine Petry & Dennis Schäffer, zitiert nach: iPad-in-der-Schule

 

 

2. Die Taxonomie

Das SAMR-Modell gibt eine Taxonomie vor: 'As a taxonomy, the SAMR model represents the idea that teachers more effectively use technology, when they enact modification or redefinition, rather than substitution or augmentation' (S.7).

Während z.B. im TPACK-Framework die Lehrenden über erforderliche Komponenten zum effektiven Einsatz von Technologie im Unterricht informiert werden, legt das SAMR-Modell zumindest gewisse Praktiken nahe. Draus könne man grundsätzlich erkennen, dass eher beschreibende Modelle günstiger sind als vorschreibende. Schließlich werde der pädagogische Zugriff durch das technologische Nadelöhr in den Hintergrund gedrückt. Technologieeinsatz in einer gewissen Weise steht plötzlich im Vordergrund.

Untersuche man die Forschungsstudien, auf die sich Puentetura bezieht, wird das Wasser sehr schnell trüb (um im Bild zu bleiben): Schüler und Schülerinnen, die am Computer ihre Schreibfähigkeiten verbesserten, wurden bei genauerer Betrachtung wohl eher durch die Steigerung metakognitiver Fähigkeiten (im Text: metakognitiver Anweisungen) besser als durch die Arbeit am Computer (vgl. S. 8 f.). 'Taxonomies, however, often reflect a perspective in wich teaching an learning are linear processes and belong to one exclusive category. Because of the continuous and reciprocal nature of teaching and learning, it is difficult to label and classify instructional objectives. Therefore such taxonomies, as is the case with the SAMR model, are deterministic an linear, and are often in direct contrast with the dynamic processes they seek to represent' (S. 9).

 

Bild 4: Jaclyn Stevens, M.Ed., inspiriert wurde Carl Hooker

 

3. Produkt vs. Prozess 

"To illustrate, consider a high school Englisch Language Arts instructor who assigns an interactive research report presentation that students must create using an online tool of their choice. Focusing on the end product, however, he may inadvertently de-emphasize important processes inherent to the research process such as supporting students' understandig of online presentation tools, the process of identifying, vetting and using reputable research, and the ways in which students create and share their work with additional audiences." (S. 9).

Die Autoren stellen also fest, dass Lernprozesse hier nur dem Anschein nach auf einer "höheren" Ebene stattfinden, der Lernprozess allerdings darunter leidet. Die Forderung läuft daher konsequent auf die Prozessbeobachtung hinaus, weg von der Orientierung auf das Produkt. Leider läuft die weitere Argumentation auf die allseits bekannte und beliebte Leerformel "Pädagogik vor Technik" hinaus: "When integrating technology, the purpose of this integration should be on enhancing and suporting student learning rather than using a particular technology". (S. 9).

 

Bild 5: Technology for learners

 

4. Zusammenfassung (der Autoren):

Die Autoren kritisieren mehrere Aspekte am SAMR-Modell, die möglicherweise so zusammengefasst werden können: Das SAMR-Modell beschreibt eine kontextfreie Lehr-Lernumgebung, in der der Fokus auf das Lernprodukt gerichtet wird; das führt gleichzeitig zu einer Vernachlässigung des Lernprozesses. Die - zumindest implizite - Taxonomie, die das Modell vorgibt, wirkt präskriptiv im Sinne der Technologienutzung. Dies lässt ggf. zu wenig Raum für pädagogische Konzepte. Konsequenterweise schlagen die Autoren keine weitere "Bebilderung" des Modells, sondern eine Art Verfeinerung vor, zu deren Hauptziel die weitere Klärung des Modells gehört. Der erste Vorschlag richtet sich auf eine Erweiterung des Modells, damit es kontextsensitiv wird (ähnlich wie das TPACK-Modell, auf das sich die Autoren mehrfach positiv beziehen). Darüber hinaus schlagen die Autoren vor, Vorschläge / Beispiele zu entwickeln, wie Lehrende das Modell entlang der Kontext-Faktoren wie Lernergebnissen, Bedürfnissen der Lernenden, Erwartungen der Schule etc. anwenden können. Der zweite Vorschlag richtet sich auf die Taxonomie. Um der "dynamischen und fließenden Natur" des Lehr-/Lernprozesses gerecht zu werden, müsse die Entscheidung der Lehrkräfte in den Vordergrund treten; dies impliziere, dass eine Entscheidung für die "unterste Stufe" (Substitution) vor dem Hintergrund der konkreten Rahmenbedingungen, auch als die beste Entscheidung anerkannt werden müsse. Der Aufsatz endet mit dem Aufruf, die Lehrer und Lehrerinnen in die Lage zu versetzen, verstehen zu können, wie Lehren, Technologie und Lernen zusammenhängen.

 

 

Literatur- und Bildnachweise:

 

Mete Akcaoglu, Erica Hamilton, Joshua M. Rosenberg (2016):The Substitution Augmentation Modification Redefinition (SAMR) Model: a Critical Review and Suggestions for its Use, in: TechTrends 60, S.433-441, Mai 2015, http://dx.doi.org/10.1007/s11528-016-0091-y

 

Bild 1: https://blog.medienzentrum-coe.de/samr/

Bild 2: Bananenkanone: https://bananenkanone.wordpress.com/2018/01/13/das-samr-modell-von-puentedura/

Bild 3:Nadine Petry & Dennis Schäffer, zitiert nach: https://ipad-in-der.schule/2018/01/23/samr-modell-digitalisierung-schule/

Bild 4: Jaclyn Stevens

Bild 5:https://technologyforlearners.com/the-samr-model/