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Digitalisierung und Fortbildung I

Achtung Symbolbild! Mann mit "Leder-Lehrertasche" und einem dicken, sehr dicken Buch (vielleicht sogar mit der Luther-Bibel, siehe unten) in der Hand. - Was muss Lehreraus- und Lehrerfortbildung, was muss die einzelne Lehrkraft leisten, um in der KULTUR DER DIGITALITÄT anzukommen?

 

Fortbildung muss sein, ist der erste Glaubenssatz der Gegenwart. Und das ist ja gar nicht so schlecht, denn damit ist die Idee der Technikausrüster und Schulträger überwunden, dass zuerst Technik sein muss (anschließend mit dem obligatorische Foto vor dem Whiteboard, wie Axel Krommer süffisant anmerkte, Krommer, 2015).

 

Fortbildung ist erkannt als Schlüssel für das Gelingen der Digitalisierung der Schule (vgl. z.B. Eickelmann et al).

Aber welcher Grundbedingungen bedarf es, um auch ein Gelingen der Fortbildungen zu sichern. Ein ganz wesentliches Merkmal haben Rath/Marci-Boehncke aufgeschrieben und dabei ein Element hervorgehoben, das als eine zu vermittelnde Schlüsselkompetenz sowohl für die zweite Phase der Lehrerausbildung als allgemein für Lernen, v.a. für lebenslanges Lernen ausgerufen ist: Metakognition.

 

Bei Rath/Marci-Boehncke wird Haltung und speziell die Selbstwirksamkeitsvermutung, definiert als 'Gefühl, dass sie [die Lehrkräfte, M.S.] Medien kompetent nutzen können', aufgerufen, um die Langsamkeit des Systems zu erklären. Auch liefern die Autoren einen Hinweis darauf mit, dass eine veränderte Praxis gleich im Vorbereitungsdienst einzuüben ist: 'Man spricht auch davon, dass man einen bestimmten medialen Habitus braucht, ein Begriff, der Überzeugungen und Nutzungspraxen verbindet. [...] Bildungskräfte, die sich in ihrer bisherigen, häufig an älteren Medien orientierten, Praxis ausgesprochen sicher fühlen, verändern sich schwerer als solche, die noch keine festen Handlungsmuster ausgebildet haben'.

 

Alle wissen, auch die oben genannten Autoren, dass Haltungen und Selbstwirksamkeitserwartungen nur sehr langsam und gegen innere Widerstände zu verändern sind. Die Autoren gehen davon aus, dass es eine 'lange gegenteilige praktische Erfahrung' oder - alternativ - 'den aktiven Willen aus rationaler Erkenntnis' bedarf, um die Praxis zu verändern. Dabei generieren sie die These der Metakognition, die durch die Autoren selbst auch gut international abgesichert ist (siehe Literaturangabe). Es gilt also, die Lehrkräfte zu ermuntern, über das eigene Denken nachzudenken - 'auch und gerade in Bezug auf digitale Medien und die individuellen teachers beliefs ihnen gegenüber. Mit ihr [der Metakognition, M.S.] ist nicht garantiert, das das, was man über sein eigenen Wissen annimmt, richtig ist. Aber man schaut sich bei dem zu, was man über sich selbst denkt und fühlt. Man entwirft eine Theorie über seinen eigenen Denk- und Lernprozess'.

 

In Deutschland ist diese Reflexion besonders wichtig, denn 'Lehrkräfte in Deutschland bewerten allgemein die Potentiale digitaler Medien kritischer als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen europäischen Ländern'. Und das trifft auf die Philosophiekolleginnen und Kollegen womöglich stärker zu, weil sie an Platon geschult sind (Was Ihnen nicht vorgeworfen werden sollte). Axel Krommer hat den Zusammenhang jüngst für den Kontext des Übergangs vom Paradigma der Oralität zum Paradigma der Skriptografie hingewiesen (vgl. Krommer 2019). Auch Rath und Marci-Boehncke zitieren Platon (Phaidros, Sage von Theut):

 

'Denn diese Erfindung wird den Seelen der Lernenden vielmehr Vergessenheit einflößen aus Vernachlässigung der Erinnerung, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. [...] Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken, obwohl sie größtenteils unwissend sind, und schwer zu behandeln, nachdem sie dünkelweise geworden statt weise'.

 

Die Autoren stellen im Anschluss fest, dass deutsche Kultur besonders durch eine 'Medienmoralisierung' zu kennzeichnen ist, die gegenüber bildorientierten Medien (Kino, TV, ich führe weiter: Instagram) immer kritisch war: 'Eine aus dem sola scriptura-Diktum des Protestantismus erwachsene 'auratische Buchkultur' war es, aus der, wie ich ergänze, noch heute die Beharrungskräfte ihre Legitimation ziehen. Vielleicht sind wir schon hier beim Pudels Kern angelangt. Schauen wir jetzt nach Nordrhein-Westfalen, das bekanntlich beides zu vereinen sucht: die katholischen Rheinlande und das protestantische Westfalen:

 

Eickelmann et al. hat jüngst gezeigt, dass in NRW ca. 50 Prozent der Lehrkräfte ‚Nie-Nutzer*innen‘ digitaler Medien sind. Eine Diskussion um Digitalisierung vs. Kultur der Digitalität führt unter diesen Bedingungen recht sicher dazu, dass, weil die Vorangehenden den Abwehrenden dennoch „irgendwie“ gerecht werden wollen, weil schließlich „alle mitgenommen werden wollen“ und „keiner zurückgelassen werden soll“, das Notwendige, das Sich-Einlassen auf die ‚Kultur der Digitalität‘ eher nicht gewagt wird und verkleinerte Formen von Digitalität zu einer „palliativen Didaktik“ geraten: Irgendein überliefertes unterrichtliches Tun wird mit etwas Digitalem ummantelt (digitalisiert) und wird somit der Kultur der Digitalität nicht gerecht. In der Konsequenz droht dergestalt eine sich selbst erfüllende Prophezeihung: v.a. die Nie-Nutzer*innen werden sich durch zu befürchtende palliative Effekte bestätigt finden. Die Schlussfolgerungen von Eickelmann et al. sind konsequent: Es bedarf der konzeptionellen Verankerung von Fortbildung, die darauf zielt, nicht nur die Zahl der Nie-Nutzer*innern zu verringern, sondern auch diejenigen, die digitale Medien bisher nur sehr selektiv verwenden, umfassender zu qualifizieren.

 

 

Es ist durchaus wichtig, dass Rath und Marci-Boehnecke oben feststellen, dass man sich zuschaut, wie man 'denkt und fühlt'. Die Gefühle müssen einerseits reflektiert werden, um die eigene Nähe und Distanz zu den Medien (die eigene Lernbiografie) zu verstehen; andererseits muss die erneuerte Praxis auch 'leiblich' abgespeichert werden, lautet meine These dazu. Gute Erfahrungen durch Praxiserprobung in formellen und informellen Fortbildungen sind wichtig, ein weiterer notwendiger Schritt für das gute Gefühl, das Richtige zu tun, ist die Vernetzung. Meine erste Forderung für Fortbildungen lautet daher, nicht sofort den Unterricht in den Mittelpunkt zu stellen, sondern zuerst die Vernetzung der Kolleginnen und Kollegen ansprechen. Dass sich dies in 2019 nicht mehr im obligatorischen Emailaustausch erschöpfen darf, ist nicht zuletzt durch die informelle Existenz des #Twitterlehrerzimmer(s) und den dortigen Fachschaften augenscheinlich geworden (vgl. https://t1p.de/lsc7). Aber auch das reicht noch nicht, daher sollte unbedingt ein auf Gemeinschaft (oder Commons) gestifteter inhaltlich-methodischer Baustein folgen, der noch näher zu bestimmen ist.

 

(Vorgriff auf Teil 2: Die zweite Forderung an Fortbildung lautet: Die Begriffe und insbesondere der Medien-Begriff müssen geklärt werden).

 

... Teil 3 führt die Diskussion philosophiedidaktisch fort.

 

 

Literatur:

 

  • Gudrun Marci-Boehncke, Tatjana Vogel (2018): From theoretical knowledge to reflection about digital media: a study about epistemic awarness of in-service teachers, in: ICERI2018 Proceedigs, Sevilla, IATED Acadamy 2018, S. 1942-1950.
  • Matthias Rath, Malte Delere (2018): Teachers' beliefs in media and whether they can be modified: a comparative study, examining first years and advanced students from different forms of education, in:ICERI2018 Proceedigs, Sevilla, IATED Acadamy 2018, S. 2010-2016.