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Einblick in Verzögerungsdiskurse 2 - Eine KMK-Webseite im schnellen Wandel

Zu schön um wahr zu sein!? - Konnte es sein, dass die Kultusministerkonferenz (KMK) in Deutschland schon drei Wochen nach Beginn der Schulschliessungen in der (digitalen) Gegenwart angekommen war?

 

1. Begeisterung

 

Am Morgen des 3.4.2020, drei Wochen nach Beginn der Schulschließungen in Deutschland und unmittelbar vor Ferienbeginn in etlichen Bundesländern deutete sich vermeintlich ein Kultur- oder gar Paradigmenwechsel an. Unter "Bildung in der digitalen Welt" und "Lernen von zu Hause - Digitale Lernangebote" konnte man auf der Webseite der Kultusminister-Konferenz lesen, wie man die Herausforderungen bewältigt und welche Tools dazu herangezogen werden können. Die Web-Seite zeigte am Morgen des 3. April 2020 folgenden Aufbau:

 

  • Einführender Text mit der Überschrift "Lernen von zu Hause - Digitale Lernangebote
  • Zum Selbstlernen (Eine Orientierung für Schüler und Schülerinnen)
  • Zur Unterstützung von Lehrkräften
  • Angebote in den Ländern

 

Den Erstlesern fiel sofort der revolutionäre Charakter auf, der sich im dritten Abschnitt fand und sich an Lehrkräfte richtete. Als würde die Hölle zufrieren konnte doch dort gelesen werden, dass neben dem internet-abc.de und neben des Landesbildungsservern und neben Lo-net2 (seit längerer Zeit schon Cornelsen-Verlag) und neben Moodle jetzt auch Microsoft Teams, Google for Education, Jitsi für Webconferencing, Trello und H5P empfohlen wurde.

 


Screenshots via Twitter

 

Hier der Wortlaut der spannenden Passage am Morgen und Vormittag des 3.5.2020:

 

2. Veränderungen

 

Gegen Mittag am 3. April 2020 wendete sich dann jedoch das Blatt. Die Webseite bekam eine neue Struktur.

 

Der Aufbau der Webseite am 3.4.20 ab mittags:

 

  • Einführender Text mit der Überschrift "Lernen von zu Hause - Digitale Lernangebote
  • Angebote in den Ländern
  • Weitere Angebote

Hier zum Vergleich der Aufbau am Morgen des 3.4.20:

 

  • Einführender Text mit der Überschrift "Lernen von zu Hause - Digitale Lernangebote
  • Zum Selbstlernen (Eine Orientierung für Schüler und Schülerinnen)
  • Zur Unterstützung von Lehrkräften
  • Angebote in den Ländern

 

Die neu angeordnete Webseite fügte darüber hinaus unter "Weitere Angebote" ein Art Disclaimer ein: "Die nachstehende Auswahl erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Nutzerinnen und Nutzer sollten vor Verwendung ggf. mit ihren zuständigen Behörden und Einrichtungen oder mit dem Anbieter alle Fragen zur Datensicherheit und zum Datenschutz klären".  

Nun fehlte jeder Hinweis auf Microsoft Teams, OneNote und Google for Education. Zwei Tipps wurden dafür neu hinzugefügt. Verlinkt wurde zum "digital.learning.lab" Hamburg und zum "Forum Bildung Digitalisierung". Warum Jitsi weiterhin empfohlen wird, geht aus dem Erklärtext zum Webconferencing-Tool selbst hervor: "Open source", "ohne Login" und keinerlei Speicherung und Verarbeitung von Daten.

 

 

3. Ernüchterung und möglicher Hintergrund zu Office 365 (jetzt Microsoft 365)

 

Die Ernüchterung stellte sich schnell ein. Kollege Björn Nölte notierte auf Twitter selbst die Herausnahme. Der Datenschutz-Frühling als Datenschutz-Realismus in Deutschland hatte keinen Tag überstanden: Der deutsche Frühling zeigt sich als das, was er so häufig ist: Ein Schritt vor und zwei Schritte zurück.

Die Entfernung der Hinweise auf Google und speziell auf Microsoft könnten grundsätzlich der korrigierten Auffassung des hessischen Landesdatenschutzbeauftragten folgen: Dieser hatte sich nach dem frühsommerlichen Hinweis 2019 "Warum die Cloud-Anwendung von Office 365 derzeit unzulässig ist", korrigiert, die neue Richtlinie sah nun vor, dass die Nutzung geduldet werden kann. Viele der mir bekannten Datenschutzbeauftragten haben das für sich in diese Form gebracht: "Ja, die Cloud-Anwendungen von Office 365 (jetzt Microsoft 365) können geduldet werden, und doch gilt gleichzeitig: Wir Datenschützer dürfen es nicht empfehlen (denn wir wissen ja um das Fortbestehen der Gründe)". Das ist wohl der springende Punkt: Eine Behörde oder ein Zusammenschluss von Behörden können gemäß dieser Vorlage nur geduldete Anwendungen nicht empfehlen. Damit ist jedoch nach drei Wochen Homeschooling niemanden geholfen.

 

 


Zwei Screenshots: Links direkt vom Landesbeauftragen für Datenschutz Hessen und rechts die Darstellung der 2. Stellungnahme im Blog Datenschutz Notizen.

 

4. Literatur