· 

The Terminator (1995) - Teil 1

Natural Born Pulp Terminator. Gesellschaftliche Entwicklungen und Film.

"Es gab eine Menge junger Menschen, die bekämpften nicht die Politik der Regierung, sondern leugneten nur deren Bedeutsamkeit und waren fest davon überzeugt, dass einer wie Jürgen Möllemann allenfalls die Erfindung schlecht gelaunter Zeitungsredakteure sein konnte, während die Existenz der Terminators viel wahrscheinlicher war".

 (Claudius Seidel: Schrotthaufen der Geschichte. Wie die Popkultur der Achtziger die linken Gewissheiten zerstörte, in: SpiegelSpezial, Pop&Politik 1994, S. 81)

Mit den Filmen NATURAL BORN KILLERS und PULP FICTION erlebte die Simulation im Herbst 1994 einen neuen Höhepunkt. Alles redete über Film, Ästhetik und Politik - und verlor sich dabei in seltsamer Bedeutungslosigkeit. Erschien doch NATURAL BORN KILLERS bereits für eine Generation gemacht, die die Welt als parallele Windowsanwendung unter dem Computerbetriebssystem OS2/warp wahrnimmt. Hatte noch Feyerabend mit "Alles geht!" die Postmoderne eingeleitet, feiert dieselbe seitdem sie im 386er Mikroprozessor ff. ihre materielle Basis gefunden hat, ein "Alles geht nebeneinander!" Die "Alles geht"-Revolution im Kino fand aber schon im Jahre 95 a.D. der Kinogeschichte statt. Mit TERMINATOR 2 - JUDGEMENT DAY etablierte sich die Verbindung von Film und Computer. Eine Filmfigur konnte nun von einer Gestalt in eine beliebig andere verwandelt werden - die Morphing-Technik hatte die Filmindustrie erobert.

 

Actionfilme sind Teil der populären Alltagskultur. Zu fragen ist, inwiefern eine Analyse von Film Erkenntnisse über gesellschaftspolitische Entwicklungen ermöglicht: die TERMINATOR-SAGA eignet sich besonders für einen ausführlichen Versuch.

Nach Georg Seeßlen besteht die Möglichkeit, fünffach über Film zu schreiben. Zunächst kann aus dem Film die 'magische Autobiographie' des Autors / des Regisseurs dechiffriert werden; damit in Zusammenhang stehen die immer wiederkehrenden Motive (auch Obsessionen) der Macher. Darüber hinaus funktioniert Film als selbstreferenzielles System, welches ästhetische Traditionen fortführt und kritisiert. Filme sind aber auch Kommentare der Wirklichkeit, sie reagieren auf politische und kulturelle Stimmungen in der Entstehungszeit. Schließlich müssen zwei parallel laufende Codes berücksichtigt werden: den der linearen Erzählung, geeignet zur Interpretation, und den der Oberfläche, der Bilder; der letzte sei nur durch 'Imagination' aufzunehmen. Hier ist offenbar die Möglichkeit angelegt, die Filme mit den je eigenen Folien zu verstehen und zu deuten.

Über die Kommentare zur Wirklichkeit und die Erzählcodes kann der Versuch unternommen werden, mehr über die gesellschaftliche Realität und über die Verstrickung der Akteure in sie zu erfahren, oder als Frage formuliert: Was bleibt von der caesaristisch-titanischen Film-Utopie, wenn sie sowohl mit der reinen als auch der marxistisch-inspirierten Theorie konfrontiert wird?

 

Ware Film - Wahre Filme

In THE TERMINATOR (USA, 1984) kommt eine Tötungsmaschine in menschlicher Gestalt (eben der Terminator, dargestellt von Arnold Schwarzenegger) aus der Zukunft in die Gegenwart, um erstere abzuändern. In der Zukunft, dem L.A. des Jahres 2029, kämpfen die letzten Menschen gegen die Maschinenherrschaft - ihr Widerstand ist offenbar soweit erfolgreich, dass sie weiter existieren. Dies soll nun der Terminator ändern. Durch die Tötung einer Frau (Linda Hamilton als Sarah Connor) in der 'Gegenwart' (1984), die den zukünftigen Anführer der Menschheit gebären wird, soll die Zukunft im Sinne der Maschinen verändert werden.

Der Terminator geht dabei denkbar einfach vor: Alle Sarah Connors der Stadt, deren Wohnung das Telefonbuch verrät, will er umbringen, um seinen Auftrag erfolgreich auszuführen [Das ist übrigens der wahre Grund, warum wir heute nicht mehr im Telefonbuch abgedruckt werden möchten, Anmerkung 2019]. Dagegen wird vom Anführer der Menschheit in der Zukunft ein Mensch hinter der Maschine hergeschickt, um die potentielle Mutter zu schützen sowie den Terminator möglichst zu vernichten. Tatsächlich findet der Retter (Michal Biehn als Kyle Reese) Sarah Connor rechtzeitig, um ihr Leben zu retten. Der Rest des Films besteht aus einer einzigen Verfolgungssequenz, die jedoch auch kurzfristige Ruhephasen enthält. In einer dieser Ruhephasen, so lässt sich später schließen, zeugt der vom zukünftigen Menschenanführer Gesandte ebendiesen. Der Showdown endet mit dem Tod Kyle Reeses, der Zerstörung des Terminators in einem Presswerk und der entkommenden Sarah, die sichtbar schwanger ward.

 

Die Kinogänger des Jahres 1984 faszinierte offenbar die Rücksichts-, Motivations- und Leidenschaftslosigkeit der tötenden Maschine, die in humanoider Gestalt antrat. Sie erinnerte irgendwie an Ronald Reagan und Magaret Thatcher, auf deren politischen Weg ähnlich viele 'Hindernisse' in menschlicher Gestalt überwunden wurden. 1990 war TERMINATOR 2 - JUDGEMENT DAY fertiggestellt worden. In den USA hatte Bush Reagan abgelöst und Schwarzenegger war sein Sportberater geworden. 

 

Die Story des neuen Films folgte im Großen und Ganzen der des ersten Films. Doch statt der Konstellation (guter) Mensch gegen (bösen) Terminator, trat nun einem bösen Terminator, dem T 1000, der als technische Fortentwicklung nun aus Flüssigmetall bestehen sollte, ein guter (Arnold Schwarzenegger) entgegen. Dies ermöglichte zu Beginn des Filmes einige Erwartungen der Zuschauer zu ent-täuschen. John Connor, Anführer der Menschheit im Jahr 2029, lebte 1990 als Dreizehnjähriger und hatte sich bereits einige notwendige Überlebenseigenschaften angeeignet. Der Film zerfällt daraufhin in drei große Sequenzen: in eine Verfolgungseröffnungssequenz über ca. 45 Minuten, eine eher dialogreiche Zwischensequenz und eine 60-minütige Schlussmaterialschlacht. Am Ende ist der böse T 1000 im Stahlbad (als Steigerung zum Presswerk) terminiert und John mit seiner Mutter Sarah wieder zusammengeführt (sie wurde zu Beginn des Film als 'Irre', die über die Zukunft Bescheid weiß, in einer Anstalt festgehalten). Der gute Terminator muss sich schließlich auf eigenen Vorschlag von Sarah ebenfalls - qua vernünftiger Einsicht - in das Stahlbad hinablassen, um der Menschheit nicht auch nur einen kleinen Teil seiner fortschrittlichen Elektronik und Mechanik zu überlassen, denn diese würde die nun offenbar von den Menschen geänderte Zukunft nur wieder erneut entstehen lassen.

 

Mythologie und Utopie

Schon im ersten Film ist der hohe Gehalt christliche Mythologie in ihrer amerikanischen Fassung spürbar, deren Bedeutung der zweite Film mit dem Zusatztitel JUGEMENT DAY auch selbst angedeutet hat (statt der Übersetzung 'Tag der Abrechnung' wäre 'Tag des jüngsten Gericht' angebrachter gewesen).

Die postapokalyptische Welt ist eine gottlose, denn ein Gott, der die Apokalypse nicht zu verhindern bereit ist, verliert für die Agnostiker die Existenzberechtigung. Die freie Stelle darf nach der Apokalypse ein Mensch einnehmen und als höchste Instanz das Gute organisieren und das Böse bekämpfen. Im L.A. des Jahres 2029 a.D. ist die Stelle Gottes neu besetzt. In ihrem Krieg gegen die Maschinen haben sich die Menschen einen Anführer auserkoren. Dass dieser Fleisch gewordene Gott alle Merkmale des abgeschafften übernahm, scheint zu rechtfertigen, die Zeit weiterhin 'a.D.' zu zählen. Die Erlösungsutopie der Menschen in Form der Geburt ihrer Anführers (1984 oder 1985) wird für die Maschinen zur Eschatologie.

 

Die Maschinen des Jahres 2029 reagieren mit ihrem künstlichen Bewusstsein genau so, wie es die altägyptischen und römischen Herrschenden taten, als sie die Botschaft der angeblich kommenden Erlösung für die Menschen vernahmen. Genau so? Nicht ganz. Sie warten nicht erst, bis der Erlöser geboren wird, um ihre Heerscharen zur Tötung aller Erstgeborenen auszusenden. Die künstliche Intelligenz sendet im ersten Film die Maschine aus, um die Mutter vor der Geburt ihres Sohnes zu töten (genauer: vor der Zeugung). Das Vorhaben scheitert jedoch doppelt: Sarah Connor wird nicht nur nicht getötet, sondern John Connor überhaupt erst gezeugt. So greifen im ersten Film die Mythen des alten und neuen Testaments ineinander. Sarah ist Maria. John Connor, als Anführer der Menschen des Jahres 2029, ist der notwendig Fleisch gewordene Gott ohne transzendentes Über-Ich. Die Zeitreise von Kyle Reese entpuppt sich als Gottes Auftrag zur Zeugung seines Sohnes, er ist damit Sendbote des göttlichen Atems, der zuständig für die unbefleckte Empfängnis ist. Der John Connor der Zukunft definiert sich damit selbst als die notwendige Fortexistenz des postapokalypischen Gottes in menschlicher Form.

 

... to be continued